1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (F)

Es war frisch und angenehm, und außerdem bot sich uns ein neuer und unerwarteter Anblick: Neben unserem Schiff lag ein langes Boot, vollbesetzt mit bärtigen, disziplinierten Russen, die vom russischen Geschwader kamen. Sie wollten den Kapitän des Dampfers fragen, ob er in den nördlichen Gewässern nicht das große, seit mehreren Tagen erwartete Linienschiff Nya Ingermanland gesehen habe, an dessen Bord sich der Großfürst persönlich befand. Sie fürchteten wohl, daß diese Ingermanland das gleiche Schicksal erleiden würde wie die letzte, nämlich vor der norwegischen Küste unterzugehen.
Doch der Kapitän wußte nichts von der Sache, und wir … schauten die finsteren Ostlandbewohner an und danach … auf das ersehnte schwedische Geschwader, das dort so schön, geordnet und still im nächtlichen Gewässer lag! Ich weiß nicht, warum ich weinen wollte, als ich es sah! Vielleicht war es eine instinktive Wehmut, denn … wenn ich es mir recht überlege, hatte ich lange kein schwedisches Geschwader gesehen. Daran dachte ich aber nicht. Nein – ich dachte an nichts, sondern schaute nur aufs Meer hinaus, auf die Schiffe, und zum Himmel hinauf, denn dort zeigten sich die ersten goldgelben Strahlen der Sonne, die im Anmarsch war, und … auf die Passagiere, die sich ebenso wie wir zahlreich an Deck eingefunden hatten.
Bei Sonnenaufgang machte ich auch Bekanntschaft mit Welhaven, Professor der Philosophie an der Universität in Christiania und Norwegens größter lebender Skalde. Er sprach lebhaft von dem Sonnenaufgang der norwegischen Literatur. Aber er war unbarmherzig gegen unsere Schriftsteller und sagte, es wäre besser, gar keine Literaten zu haben als so schlechte … wie … ich weiß schon, wen er meinte, und er behauptete auch noch, daß solche Bücher wie … das eine oder andere von v. B. in Norwegen nie gedruckt werden würde, und ich … wäre in diesem Moment gern eine norwegische kone gewesen.
Wir unterhielten uns lange, und als seine liebenswerte junge Frau aus unserem weiblichen Orkus heraufkam und sich zu uns gesellte, wurde das Gespräch noch lebhafter und interessanter. Ich freute mich über die Bekanntschaft und auch über all das Schöne, das er über meine Freundin sagte, das liebenswerte Fräulein B:r, die er seit ihrem Besuch in Norwegen kannte.
Aber Du fragst Dich sicher, ob wir nie in Danas schöner „Königsstadt“ ankommen, und dann wunderst Du Dich sicher auch, daß ich nur von mir und uns und wir rede und nicht von Längengraden und Breitengraden, von Topographie und Landschaften, der Küste, dem Sund und Schloß Kronoborg (wir kamen dicht daran vorbei und schauten bewundernd zu ihm auf) und vielem anderen … das man nicht so genau beschreiben kann, das Du aber in anderen Reisebeschreibungen findest und gerade deshalb nicht in meiner. Und nun lebe wohl für ein paar Tage.

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1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (A)