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Es werden Posts vom September, 2023 angezeigt.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (C)

Stell Dir vor: Wir wohnen nicht in dem scheußlichen Hotel du Nord, wo ich mich einst so unwohl gefühlt habe, daß ich krank und heimwehkrank wurde und das für mich keine Vorzüge hatte außer seiner herrlichen Lage. Stattdessen wohnen wir im Haus nebenan, nur eine halbe Treppe hoch, haben zwei luftige, kühle und ruhige Schlafzimmer und einen runden Ecksalon mit Aussicht auf den Kongens Nytorv , den größten Platz der Stadt, der mitten im Zentrum liegt. Der runde Salon hat fünf hohe Fenster, alle in Richtung Platz, geschmückt mit schönen frischen Blumen, teils Topfpflanzen, teils in hängenden Porzellankörben. In diesem hübschen Zimmer steht auch ein bequemes Sofa, ein gutes Pianoforte von Marschall und … es herrscht eine Gemütlichkeit, die man nicht beschreiben kann.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (B)

Weideland und Weizen, Erbsen und Bohnen, Kohl und Kartoffeln, sie gedeihen vorzüglich bei Regen und Feuchtigkeit, aber ach! Reisende wünschen sich Sonnenschein und schönes Wetter. Dann geht es ihnen am besten, nicht nur ihren Kleidern und Schuhen, sondern auch ihrer Laune. An einen Ort zu kommen, in dem es regnet, mit nassen Füßen und triefendem Gepäck, versetzt zumindest mich immer in die ärgste Dezemberlaune, aber ein klarer Himmel, Windstille und Wärme erinnern mich an Mittsommer. So kamen wir also fröhlich im fröhlichen Kopenhagen an, und der Dampfer hatte kaum angelegt, da bekamen wir schon wieder den Beweis dafür, wie gütig und zuvorkommend Generalkonsul E. zu allen seinen Landsleuten ist, und vor allem zu denen, die zu seinen persönlichen Freunden gehören. Er selbst befand sich auf seinem Landsitz Möllenborg, doch ein junger Mann, der beim schwedischen Konsulat angestellt war, empfing uns und kümmerte sich um alles Lästige, was das An-Land-Gehen mit sich bringt – Frauen sind i

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (A)

Liebste A.! Eine ganze Woche hast Du nichts von uns gehört und wir nichts von zu Hause. Das macht mir Sorge, denn auch als ich in unserer „Großstadt“ war, haben wir – dank der herrlichen Schnellpost – oft voneinander gehört. Aber hierher und von hier geht es sicher nicht so schnell! Hier braucht der Raum seine Zeit. Zwischen Stockholm und S-a gibt es nur Raum, aber fast keine Zeit. Es geht uns ausgezeichnet, mir sogar besser als die letzten sechs Jahre, seit ich zuletzt hier war, und bisher ist auf unserer Reise alles gutgegangen. Wir sind am Montagmorgen um halb acht bei schönem Wetter angekommen, und als der Dampfer an der Küste entlangfuhr, konnten wir zu unserer Freude die Landschaft bewundern. Wir beobachteten sogar die Flaneure, denn trotz der frühen Stunde sah man einige auf der sogenannten Langelinie spazierengehen, die ein langes Stück Strand säumt.

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (F)

Es war frisch und angenehm, und außerdem bot sich uns ein neuer und unerwarteter Anblick: Neben unserem Schiff lag ein langes Boot, vollbesetzt mit bärtigen, disziplinierten Russen, die vom russischen Geschwader kamen. Sie wollten den Kapitän des Dampfers fragen, ob er in den nördlichen Gewässern nicht das große, seit mehreren Tagen erwartete Linienschiff Nya Ingermanland gesehen habe, an dessen Bord sich der Großfürst persönlich befand. Sie fürchteten wohl, daß diese Ingermanland das gleiche Schicksal erleiden würde wie die letzte, nämlich vor der norwegischen Küste unterzugehen . Doch der Kapitän wußte nichts von der Sache, und wir … schauten die finsteren Ostlandbewohner an und danach … auf das ersehnte schwedische Geschwader, das dort so schön, geordnet und still im nächtlichen Gewässer lag! Ich weiß nicht, warum ich weinen wollte, als ich es sah! Vielleicht war es eine instinktive Wehmut, denn … wenn ich es mir recht überlege, hatte ich lange kein schwedisches Geschwader gesehe

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (E)

Gegen Abend ging ich an Deck, und es war herrlich. Die See war ruhig, nur dann und wann kam ein leichter spielerischer Wind auf, die Sonne sagte als feuerroter Ball gute Nacht, und wir plauderten gemütlich mit zwei jungen Marineoffizieren. Einer war Schwede wie wir, der andere Norweger wie – nicht wir, und beide waren sehr unterhaltsam. Nach acht Uhr gingen wir in den Herrensalon hinunter. Dort war der Tisch reichlich mit guten Sachen gedeckt und von hungrigen Herren umringt. Nur die Signora und ich leisteten ihnen Gesellschaft. Die anderen Damen aßen und tranken en famille, drinnen in dem schönen, eleganten, aber nicht sehr gemütlichen Damensalon. Danach saßen wir noch ein paar Stunden an Deck, und der junge schwedische Marineoffizier, der als Kurier aus Stockholm auf dem Weg zu dem Geschwader war, das im Sund lag, hielt endlos danach Ausschau. Doch … auch gegen Abend kam es nicht zum Vorschein. Wir sagten ihm gute Nacht und krochen in unsere Kojen. Aber schlafen konnten wir trotzdem

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (D)

Dann hielt sie jedoch einen Moment in ihrem Wortschwall inne, und siehe da … Die Signora merkte, daß ich dalag und jammerte. Sie erschien in der Tür der Koje und fragte freundlich, ob ich seekrank sei, doch da sagte ich entschieden nein und klagte nur über die schreckliche Zugluft. Wie der Wind war sie auf der Pritsche, auf der ich lag, und – sie kennt sich mit schwimmenden Wohnstätten besser aus als ich – schloß die Luke. So fand ich die Ruhe, die ich brauchte. Jetzt fingen wir an zu reden. Ich dankte ihr für den gestrigen Abend, an dem sie in verschiedenen Rollen aufgetreten war, unter anderem als Romeo, Rosina (aus dem Barbier ), und recht gut gesungen hatte, wenn auch mit etwas rauher Stimme. Aber ihre Ausbildung ist gut und ihr Vortrag angenehm. Wir unterhielten uns lange, allerdings nur über sie, und ich vermute, daß das einzige Thema ist, das sie wirklich interessiert und von dem sie etwas versteht. Wie alle diese Leute, die ein Vagabundenleben führen, amüsierte sie mich, denn a

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (C)

Als wir alles geordnet hatten, d. h. als alles ausgepackt war und durcheinander lag, ging E. an Deck, um Elfsborg zu sehen, doch ich sagte zum ersten- und sicher nicht zum letztenmal: „Mich interessiert es nicht, ich werde ja noch soviel sehen!“ … und legte mich schlafen. Doch das war leichter gesagt als getan, denn wegen der unerträglichen Hitze konnte ich die Kojentür nicht schließen. Ich lag sozusagen in einer Loge in der ersten Reihe und hatte den Salon als Bühne, und siehe da, dort wurden Melodramen, Tragödien und Komödien aufgeführt. Eine Mutter gab ihren Söhnen und Töchtern – kleinen blonden gesprächigen Norwegern – Zwieback und Butterbrot. Eine andere Mutter gab ihrem acht Wochen alten Erben die natürlichste Nahrung von allen und erklärte den anderen um sie herum stehenden Damen, daß bei ihr die Mutterliebe jeden Anflug von Seekrankheit (ich schauderte schon bei dem Wort, ich Glückliche, die so etwas nur dem Namen nach kennt) vertreiben würde. Doch jetzt regte sich lauter W

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (B)

Am gleichen Tag, an Bord des Dampfers Christiania und schaukelnd auf dem Kattegat . Liebste A.! Ich denke an die Heimat, zu Wasser und zu Lande, und wahrscheinlich auch noch im Himmel, falls ich eines Tages vor Euch allen dorthin kommen sollte! Hier sitze ich nun in meiner Koje Nr. 1 (der besten und größten) und möchte gern alles schildern, was mich umgibt – das lebende Bild, das bunte Leben. Es war ein bittersüßer Augenblick, als der Schuß abgefeuert wurde und all die Lieben, die mich begleitet hatten, eiligst aufstanden. Wir hatten in einem freundlichen Kreis an Deck des Dampfers gesessen. Nur wir Reisenden blieben sitzen, und die Zeit reichte nur für einen Händedruck und ein Lebewohl. In dem kleinen grünen Boot, das uns an Bord gebracht hatte, winkten sie zum Abschied, und ich warf meiner guten geliebten H. (1) einen Gruß in Form einer Rosenknospe zu. Aber ach! Sie traf A. W.s (2) Hut und … fiel ins Wasser, ging jedoch nicht wie ein Stein unter, sondern trieb auf der Oberfläche,

1. Brief – Göteborg, 28. Juni 1846, ein Sonntagmorgen (A)

Liebste A. (1)! Nun singe ich – wie man so sagt – meine letzten Töne hier im Vater- und Mutterland. Alles ist für unsere Abreise vorbereitet: Koffer, Handkoffer und Hutschachtel, d. h. das schwere Gepäck, sind schon mit dem Schiff nach Klippan geschickt worden, und nur die Schatullen, Handtaschen und der kleine Anhang, nämlich wir selbst, sind noch an Land, aber bald verlassen auch wir dieses trockene, stille und städtische Element, um auf dem unruhigen und fließenden zu schaukeln. Nur die W.s (2), die freundlichen, treuen Menschen, die versprochen haben, uns in ihrem großen geräumigen Wagen nach Klippan zu fahren – wo das norwegische Dampfschiff liegt – nur sie kommen, dann sind wir und all die anderen Freunde, die uns auch dorthin begleiten wollen, fertig. Der Morgen war recht unruhig, das Packen und die vielen Besuche und Abschiede, alles verging wie im Flug. Noch immer schwirren Abschiednehmende umher, noch immer rafft E. (3) Gepäckstücke zusammen und bekam gerade eben das schön

Inhaltsverzeichnis

Die schwedische Schriftstellerin Sophie von Knorring (1797 - 1848), nicht zu verwechseln mit Ludwig Tiecks gleichnamiger Schwester , reiste 1846 durch Europa. Ein Teil ihrer Reise führte durch Deutschland. Ihre Eindrücke schildert sie in Briefen an ihre Schwester Augusta Zelow - ein interessanter Einblick in die Zeit der Postkutschen, in der Dampferfahrten von Schweden nach Deutschland Tage dauern konnten und in der eine Fahrt mit der Eisenbahn eine Sensation bedeutete. Die Briefe erschienen 1847 unter dem Titel Bref till hemmet under en sommarresa 1846. ● 1. Brief – Aufbruch in Göteborg, Dampferfahrt über das Kattegat ● 2. Brief – Kopenhagen ● 3. Brief – Kopenhagen ● 4. Brief – Kopenhagen ● 5. Brief – Berlin. Berlin-Lese und Deutschland-Lese ● 6. Brief – Berlin ● 7. Brief – Berlin ● 8. Brief – Dresden. Sachsen-Lese (Auszug) ● 9. Brief – Prag ● 10. Brief – Wien ● 11. Brief – Ischl ● 12. Brief – München ● 13. Brief – Ulm ● 14. Brief – Stuttgart ● 15. Brief – Heidelb