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2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (P)

So kommt es dann auch, aber bis es soweit ist, sieht man viele höchst komische Szenen. Die Mutter des Kupferschmieds, Madame Smidt, wurde von Jomfrue Rosenkilde hervorragend gespielt – ihre Mimik, ihr Gesang und ihr ganzes Auftreten paßten – ebenso wie ihr Kostüm – vollkommen zu einer alten Frau zwischen 60 und 70 Jahren, dabei ist die „Jomfrue“ erst um die zwanzig. Dagegen wurde Rikke von Madame Holst natürlich und lebhaft gespielt, und ich dachte, die Schauspielerin wäre noch sehr jung, bis man mir sagte, sie habe schon fünfunddreißig oder sechsunddreißig Jahre auf dem Buckel. Aber so soll es sein.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (O)

Die Aufführungen finden meistens im Regensen statt oder irgendwo anders, wo arme Studenten umsonst wohnen können, und bei einem „Kobbersmed“ , der gegenüber vom Regensen wohnt und dem Stück seinen Titel gegeben hat. Dieser Kupferschmied hat eine Tochter – Rikke –, die Gnade vor den Augen eines Studenten, einen Kupferschmieds und eines … Leutnants gefunden hat. Daß letzterer das Opfer von tausend Streichen und von „ Jomfrue Rikke“ völlig verschmäht wird, versteht sich in einem Stück, das von Studenten geschrieben wurde, von selbst, und man kann nur sagen: „,Aha! So wie hier!‘ sagte der König in Monomatapa“, und ebenso selbstverständlich ist, daß auch der Geselle einen Korb bekommt und der Student am Ende der Glückliche ist.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (N)

Zweimal haben wir im Lauf dieser Woche die Thalia der Stadt besucht, denn sie ist unsere nächste Nachbarin. Beim erstenmal sahen wir „Gjenboerne“, ein Studentenstück, das noch nicht gedruckt wurde und es vielleicht auch nicht mehr wird, doch es quoll über vor Lebhaftigkeit und Improvisationstalent. Wir verstanden nicht alles, aber das meiste.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (M)

Wir hatten einen langen Weg vor uns und nahmen das gesegnete Angebot einer Droschke an, ohne die wir nicht vor Mitternacht nach Hause gekommen wären, doch so war es noch eine gute Viertelstunde bis dahin, als die liebe „Bestemor“, wie sie von allen im Haus genannt wird, uns in unsere gemütliche Wohnung ließ. Zu unserer Abendgesellschaft war auch eine sehr liebenswürdige norwegische Familie gewesen, die wir wahrscheinlich von hier bis nach Berlin begleiten werden, denn auch sie wollen am 16. auf der Geyser nach Stettin abfahren. Zu dieser Familie gehörte ein junges Fräulein H., und da sie und das liebenswerte dänische Fräulein M. und meine E. immer Arm in Arm gingen, nannten wir anderen sie nur „den Skandinavismus“ und ließen sie immer vor uns hergehen, um ein Auge auf ihre jugendliche Lebhaftigkeit zu haben, so wie es andere Betagte mit dem jungen skandinavischen Geist tun.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (L)

Bedauerlich war nur, daß unsere Bekannten in dieser Gesellschaft uns zu Hause aufsuchen wollten und uns dort nicht antrafen, aber um noch einmal auf den Tivoli zurückzukommen, will ich nur sagen, daß sich unsere zahlreiche Gesellschaft gegen 11 Uhr in den Konzertsaal begab, dort etwas Schönes hörte und die Elite der Besucher betrachtete, die nun dicht an dicht an kleinen Tischen saß und „is“, wie es hier heißt, Limonade, „kager“ etc. zu sich nahm. Auch wir kühlten uns mit köstlichem Eis ab, und die Portionen sind hier viel größer als in Stockholm. Nach einer Weile fingen wir an, an die Heimfahrt zu denken. Nach einem sehr schönen Tag sagten wir einander am Ausgang des Tivoli gute Nacht, wir voller Dankbarkeit und unsere dänischen Freunde wahrscheinlich mit dem guten Gewissen, daß wir uns gut amüsiert hatten.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (K)

Ein Umstand, der dafür sorgte, daß der Tivoli an diesem Abend vielleicht besucht war als sonst, war der, daß das schwedische Geschwader noch da war, daß unser kleiner Prinz Oscar , der von den Dänen mit freundlichen Blicken bedacht wurde, unter den Leuten herumlief und ”morede sig uhyre” auf der Rutsche. Dazu zeigte sich überall eine große Menge schwedischer und norwegischer Marineoffiziere und Kadetten.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (J)

Die Vornehmen hätten Angst, mit den – Nicht-Vornehmen in Kontakt zu kommen. Die Masse würde staunen, hätte Hunger und Durst und würde alles ganz ernstnehmen, d. h. mit einem Ausdruck, als wollten sie sagen: „Bringt alles Lustige her, ich bin hergekommen, um mich für eine Weile amüsieren, ich habe ja dafür bezahlt, sonst komme ich nie wieder, sondern verwende meine 16 riksdaler für etwas Besseres, da ich nun all diesen Lärm gehört und all die Lichter gesehen habe, die brennen – zu keinem Nutzen.“ Ach, ach! Ich fürchte, daß es so gehen würde, und der Mond sah aus, als sei er der gleichen Meinung, denn ein paar kleine Wolken schwebten aus Nordosten an ihm vorbei, und die kamen aus sicher aus – dem Frisens park.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (I)

Aber ich habe noch nicht einmal die Hälfte der Herrlichkeiten des Tivoli beschrieben. Ich überlasse es trotzdem lieber anderen Reiseschriftstellern und sage nur, daß man von der Insel aus, auf der ein entzückender kleiner Turm errichtet wurde, eine schöne Aussicht auf all das und noch viel mehr hat, und oben am Himmel … nur der Mond, der dort steht und zuschaut. Er sieht diese Menschenmassen, fröhlich, lebhaft, laut lachend und redend, und er dachte wohl dasselbe wie ich: Ein solches Tivoli könnte es nie in dem lieben und guten, aber steifen, ernsten und feierlichen, achtkantigen Stockholm auf sieben Holmen geben! Hier hörte man alle möglichen Sprachen, klar und deutlich, und Deutsch fast soviel wie Dänisch. Wenn eines in Stockholm ein Tivoli errichtet werden sollte, werden die Besucher sicher nicht lustwandeln, sondern „schweigend wie Ägyptens Priester“ (1) einherschreiten. Anmerkung der Übersetzerin: 1: "Tysta som Egyptens prester" stammt aus dem Gedicht Axel von Esaia

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (H)

Wenn man dann weiterging, sah man viel Unerwartetes in der Menschenmasse, in der es von elegant gekleideten Leuten wimmelte. Hier fuhr jemand Karussell, hier ließ sich eine Gruppe von Personen wiegen, um ihren intrinsischen Wert zu erfahren. Hier sauste eine Menge die Rutschbahn hinauf und hinunter, ein Vergnügen, das mich an die Strafe erinnerte, die die Unglücklichen im Fegefeuer erwartet. Hier wurde mit Pfeilen auf etwas geschossen, ich weiß nicht mehr, was es war, aber es ging jedesmal entzwei, wenn der Schütze traf, aber das Herz einer Frau war es nicht und auch nicht das eines Dandys. Es zerbrach unaufhörlich und wurde immer wieder repariert. Nein – es war ”noget andet” … aber was? Das weiß ich wirklich nicht, und ich möchte nicht „Bestemor“ danach fragen, ebensowenig wie nach allem anderen, das ich in dieser Stadt nicht verstehe.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (G)

Aus dem Konzertsaal leuchteten unzählige Lichter, und es erklang muntere, lebhafte Musik, Strauss und Donizetti wechselten sich ab. Im Theater – auf einer Seite offen und stark beleuchtet, da die Zuschauer unter den dunklen Baumkronen der Buchen standen – tanzten Pierrot und seine junge Frau, Kastagnetten ertönten zu einer lebhaften Cachucha , anmutige bunte Wesen huschten über die Bühne, nicht ganz so graziös, aber doch mit einer Wirkung, die man eher der Nacht zuschreiben kann, dem starken Lichtschein und dem Abstand (so hörte man nur die Kastagnetten und die Musik, aber nicht das Stampfen, so daß es schien, als würden die Tanzenden schweben wie luftige Geisterwesen) als dem Talent, von dem nicht viel vorhanden war.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (F)

Nach ein paar schönen Besuchen und zuletzt einem ausgezeichneten Abendessen im Haus des Bischofs machte fast die ganze Gesellschaft – bis auf den guten Bischof – einen späten, aber um so angenehmeren Ausflug ins Tivoli . Wir gingen erst abends um halb zehn, und es war entzückend. Es war der schönste Abend, den man sich vorstellen kann, und nur in meinen Kindheits- und Jugendträumen habe ich mir etwas so Herrliches ausgemalt wie den Tivoli. Der Himmel war klar, aber dunkler als bei uns in den Sommernächten. Das Laub von Buchen und Eichen hing in schweren grünen Massen über unseren Köpfen, und überall dufteten Blumen. Auf den spiegelblanken Kanälen glitten kleine venezianische Gondeln vorbei, beleuchtet von bunten Laternen.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (E)

Die Familien M. & M. und mehrere andere haben uns mehr Freundlichkeit erwiesen, als wir beschreiben können. Die liebenswürdige Ida M., die das jüngste Kind in der Familie ist und wahrscheinlich nach der von Frau Staël so gepriesenen Ida Bruen benannt wurde, diese Ida M., die vor ungefähr zehn Jahren eine von Kopenhagens größten Schönheiten war und immer eine Zierde der Stadt bleibt, empfing uns schon am Toldboden und begleitete uns zu sich nach Hause. Du glaubst nicht, wie schön wir es bei dieser vielköpfigen liebenswerten Familie hatten! Der Bischof selbst ist die Verkörperung von Glaube, Liebe und Hoffnung in der Gestalt eines Apostels. Sein Blick hat etwas Überirdisches, aber ach! Die Farbe seiner Wangen wechselt oft von Blässe zu einer fiebrigen Röte, und etwas Hektisches und Unruhiges in seinem sonst so gemessenen Auftreten deutet, wie ich fürchte, darauf hin, daß Dana bald die gleiche Trauer tragen wird wie Svea, als es seinen angebeteten Wallin verlor. Ich hoffe, ich irr

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (D)

Aber noch besser als unsere Wohnung sind die Wirtsleute, ein junges wohlhabendes Paar mit einem hübschen siebenjährigen Sohn und einer „Bestemor“ , die ich sehr amüsant finde und aus deren Augen Güte und Ehre sprechen. Bei dieser Familie fühlten wir uns wie in Abrahams Schoß. Ja, es geht uns göttlich; morgens, mittags und abends kommt unser herrlicher Nektar auf einem großen Tablett, und da wir soviel unterwegs sind, haben wir auch einen gesunden Appetit auf all die Köstlichkeiten. Kopenhagens ausgezeichnete „jordbær og fløde“ sind immer dabei. Außerdem haben wir hier schon reife Kirschen (verschiedene Sorten), Melonen, Trauben und eine Unmenge saftiger dunkelroter Apfelsinen. Ich muß Dir jedoch gestehen, daß wir nicht jeden Tag unser trautes Heim genießen, denn wir sind oft mittags weg und abends fast immer.