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2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (X)

Über die Frauenkirche sage ich nichts. Davon hast Du mehr als genug von anderen gehört. Nein – ich schreibe Dir lieber, wie mir alle Dinge gefallen haben, denn Dich interessiert sicher nicht, daß tout le monde und sogar le beau monde mit Entzücken stundenlang zuhörte, was ein reisender Franzose von der französischen Literatur hielt, denn die Tatsachen, die er anführte, konnten sie auch anderweitig erfahren. Nein, liebste A.! Ich sage es noch einmal und erinnere Dich noch einmal daran: Willst Du etwas über Längengrade und Breitengrade wissen? Willst Du geographische und topographische Notizen, Statistiken und politische Nachrichten haben, Ellen und Meilen, Höhen und Breiten etc.? Dann geh zu jemand anderem, denn die gibt es regalweise, und sie sind sehr interessant und lesenswert. Am Sonntagnachmittag sind wir mit ein paar anderen darunter auch Professor Welhaven, auf der Langelinie spazierengegangen und haben uns das sonntägliche Treiben angesehen, das überall gleich ist, aber viel

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (W)

Sonntag hatten wir einen herrlichen Vormittag. Der Bischof zelebrierte selbst eine „Bischofsweihe“ in der Frauenkirche, und es war eine der feierlichsten Zeremonien, denen ich je beigewohnt hatte. Wir waren vom Bischof eingeladen worden und hatten Eintrittskarten von ihm bekommen. Sein Sohn führte uns zu guten Plätzen, direkt neben dem herrlichen Taufbecken: Thorvaldsens Engel mit der Muschel in beiden Händen. Die Kirche, dieser schöne Gottestempel, war überfüllt von Leuten, die vornehm gekleidet und feierlich gestimmt waren, fand ich. Der Bischof stand in einem Gewand aus Goldbrokat mit weißen und grünen Verzierungen selbst vor dem Altar, und der neue Bischof, der auf Island angestellt ist, war genauso gekleidet und saß vor ihm. Das sah ungewöhnlich aus. Bischof M. sprach fast eine Stunde lang heilige Worte, und man sah deutlich, daß sie von Herzen kamen. Sechs oder acht andere Geistliche trugen weiße Meßgewänder mit breiten Spitzen – Kleidung, die unseren Morgen- und Abendröcken

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (V)

Wir haben einen bezaubernden Abend in Bellavista verbracht, einer schönen kleinen Villa nahe bei Bellevue und Klampenborg. Sie gehört dem Minister P. , und seine Frau ist die Schwester der bekannten Gräfin Bombelles oder Ida Brun, die nicht mehr und nicht weniger ist als die Schwägerin von Marie Louise von Parma , Napoleons Witwe! Frau P. ist eine „dame comme il faut“ im besten Sinn des Wortes. Außerdem ist sie eine liebenswürdige Gastgeberin, immer freundlich und guter Laune. Ich war jedoch sehr nervös, daß wir bei dieser angenehmen Gesellschaft die Zeit vergessen und den Merkurius, den Omnibus, verpassen würden, mit dem wir nach Hause fahren wollten. Aber wir vergaßen nicht die Zeit, und ein junger Pariser, der sagte, er sei ”pour son plaisir” auf Reisen und der so gute Manieren hatte, daß wir seine Fragen gern beantworteten, verkürzte die Zeit, denn die Fahrt zwischen Bellevue und der Stadt dauert fünf Viertelstunden. Müde, aber sehr zufrieden mit dem Tag und der netten Reisegesell

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (U)

Ich weiß wirklich nicht, welcher von unseren Schauspielern ihm das Wasser reichen könnte, jedenfalls nicht in diesem Stück. Jungfer Ryge spielte ihre Rolle gut, aber ein wenig gekünstelt, was auch die beste Darstellung beeinträchtigt. Das Stück wurde zum erstenmal und vor fast vollem Haus aufgeführt, doch wie das Publikum es eigentlich fand, weiß ich nicht, denn als das Stück zu Ende war, wurde ebensoviel geklatscht, gepfiffen, gelacht und geschwiegen wie nach allen anderen. Was man daraus schließen kann, weiß ich nicht. Nach diesem Werk von Dumas wurde das in Schweden schon abgedroschene ”Emelie’s Hjertebanken” gespielt – aber sieh einer an! Das, was in Schweden „klopft“, ist von der schlechtesten Sorte, und dieses war ausgezeichnet! Frau Heiberg ist bezaubernd in diesem kleinen, ganz eigenen Stück. Man fühlt sich in seine Jugend zurückversetzt, bei mir also die Zeit, in der ich – vor ungefähr 100 Jahren – von Graf C. in den Amaranten-Orden eingeführt wurde und Seine Exzellenz, der

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (T)

Nachdem ich nun ein wenig über das Studententheater geschrieben habe, komme ich zu dessen vollkommenem Gegensatz, dem anderen Stück, das wir auch diese Woche gesehen haben, nämlich Mac-Allan, eines von Alex. Dumas’ gewöhnlichen Werken, d. h. es handelte von Intrigen, Hofkünsten und Infamie jeder Art, Zweideutigkeiten und unausgesprochenen, aber beabsichtigten Gemeinheiten, vielen Lastern, ein wenig Verbrechen und keinem bißchen Tugend, kaum ein Funken Unschuld war dabei. Aber dessen ungeachtet verfolgt man das Stück mit einem Interesse, das einen hinterher ärgert – mich jedenfalls. Doch diesmal hatte ich eine Entschuldigung, nämlich die Art, in der das Stück gespielt wurde, denn die war untadelig, und einige spielten wirklich so gut, daß man es nicht besser hätte machen können. Ein junger Schauspieler, Wiehe, spielte Mac Allan und machte aus dieser undankbaren und beinahe lächerlichen Rolle das Beste. Er wirkte gar nicht lächerlich, sondern angenehm und weckte Interesse.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (S)

Als der Jude dem Studenten diese unschätzbaren Schuhe gab, bot ich meine ganze Sehkraft auf, doch ich konnte nicht erkennen, was der Student bekam, sondern dachte lange, es wäre ein französisches Brot oder das, was wir in Stockholm Catalanibrot nennen. Doch es war ein Paar „Galoschen“, das erfuhr ich, als der Student sie anzog, wenn ich auch zunächst glaubte, es wären Schlittschuhe. Doch trotz allem war es ein schöner Abend, und ich freue mich, eine dieser Studentenaufführungen gesehen zu haben, die es bei uns nicht gibt, ebenso wie wir kein Nationaltheater haben. Nein – unsere Dramatik ist völlig unbedeutend, denn eine Fliege macht noch keinen Sommer, und die Herren Börjeson , Blanche und Jo-jo (1) könnten geschmeichelt sein, wenn man sie – vielleicht als die ersten Blätter des Frühlings bezeichnen würde. Anmerkung der Übersetzerin: 1: Jo-jo war nicht identifizierbar.

2. Brief – Kopenhagen, 7. Juli 1846 (R)

Was ich jedoch gar nicht mag, ist diese schreckliche ägyptische Finsternis , die bei so einem sogenannten sommerskuespil herrscht, denn auch wenn ein armer Student, der „gratis“ im Regentsen wohnt, kein Geld hat, um mehr als eine Kerze für zwölf Styver zu kaufen, ist es unangemessen, daß ein paar Hundert Zuschauer in undurchdringlicher Dunkelheit herumtasten müssen, nicht einmal ins Programmheft schauen können, das hier plakat heißt, und nicht begreifen, was auf der Bühne vor sich geht … denn man hat ja keine Katzenaugen. Ich gab meiner Verwunderung und Mißbilligung Ausdruck, doch da antwortete man mir einhellig, daß es so sei, weil es ein sommerskuespil war, und ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, warum man im Sommer im Theater Blindekuh spielen soll und nicht im Winter. Dieser schrecklichen Dunkelheit schreibe ich es zu, daß ich, da ich die schnelle dänische Umgangssprache nicht verstand … ein wenig schläfrig wurde, und das ganze Durcheinander mit dem ewigen Juden n